Wir veröffentlichen hier und an anderer Stelle Blogbeiträge zu relevanten Themen rund um Gaming und Radikalisierung.
Videospiele sind ein wachsender Wirtschaftszweig und eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Gaming- und gaming-nahe digitale Plattformen werden zudem immer mehr zu politischen Diskursräumen, in denen sich Millionen von Menschen zu aktuellen Ereignissen austauschen Sie sind Bestandteil moderner Wahlkämpfe und werden für politische Bildungsarbeit genutzt. Wichtige gesellschaftliche Debatten werden hier abgebildet, und beeinflusst. Deshalb ist es unabdingbar, digitale Gaming-Welten als neue gesellschaftliche Diskursräume zu begreifen, ihren Einfluss ernst zu nehmen und sie in politische Kommunikationsstrategien einzubeziehen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil anti-demokratische Akteure momentan Teile dieser Gaming-Räume zu beeinflussen versuchen und demokratische Gegenrede unzureichend praktiziert wird.
Erscheinungsdatum des Blogbeitrags auf dem PRIF-Blog: 15.08.2024
Auch wenn sich das Klischee des jungen, männlichen und sozial isolierten Gamers hartnäckig hält und in den Medien immer wieder reproduziert wird, so ist Gaming bei weitem keine Nischenaktivität. Im Gegenteil: Über 3 Milliarden Menschen auf der Welt spielen hin und wieder digitale Spiele. Der durchschnittliche Gamer ist über 35 Jahre alt und fast die Hälfte sind weiblich. Gaming ist also eine sehr populäre Freizeitbeschäftigung vieler Menschen. Dies trifft auch auf Deutschland zu. 6 von 10 Deutschen im Alter zwischen 6 und 69 Jahren spielten im Jahr 2022 zumindest gelegentlich Computer- und Videospiele.
Gaming ist also längst ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, eine beliebte Freizeitaktivität und fester Bestandteil der Lebensrealität großer Teile der Bevölkerung. Es ist daher wenig verwunderlich, dass auch politische Akteure inzwischen versuchen Videospiele in ihre strategische Kommunikation zu integrieren und digitale Gaming-Räume zunehmend Schauplatz politischer Debatten sind. Dieser Blogartikel legt dar auf welche Art und Weise das geschieht, weshalb es sich lohnt dies im Blick zu haben und warum digitale Gaming-Welten unbedingt als wichtige politische Diskursräume verstanden werden sollten.
Videospiele sind auf internationaler Ebene bereits fester Bestandteil politischer Kommunikation. Seit einigen Jahren schon bemühen sich staatliche aber auch nicht-staatliche, oft anti-demokratische Akteure darum, Videospiele für politische Zwecke nutzbar zu machen und sie in Wahlkämpfe, strategische Kommunikationskampagnen und die Verbreitung von Propaganda einzubinden.
So versucht beispielsweise die chinesische Regierung ihre Politik mit Hilfe eines ideologisch gefärbten Videospiels zu legitimieren und Russland verbreitet seit kurzem anti-Ukrainische Propaganda und pro-Russische Desinformation in populären Videospielen. Auch in Europa und den USA integrieren immer mehr Politiker und Parteien Videospiele in ihre Kampagnen, vor allem in Wahlkampfzeiten. US-Präsident Joe Biden hat 2020 seinen digitalen Wahlkampf teilweise in den populären Videospielen Fortnite und Animal Crossing geführt, um gaming-affine Zielgruppen mit seinen Inhalten zu erreichen. In Deutschland werden beliebte Videospiele inzwischen zumindest sporadisch für politische Kommunikation benutzt – sowohl auf Eigeninitiative einzelner Politiker*innen als auch über offizielle Partei- oder Fraktionskanäle. Die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ging im Wahlkampf 2010 sogar noch einen Schritt weiter: Sie ließ ein eigenes Videospiel namens Moschee baba entwickeln, bei dem Spielende im Stile des bekannten Moorhuhn aus dem Boden sprießende Minarette und Moscheen ‚abschießen‘ müssen.
Videospiele werden außerdem in der politischen Bildungsarbeit eingesetzt. Die Bundeszentrale für politische Bildung beschäftigt sich seit längerem mit dem pädagogischen Potenzial digitaler Spiele. Videospiele können weitreichende positive Effekte haben und spielerisch erklären wie, z. B. demokratische Prozesse ablaufen. Sie ermöglichen auch die Vertiefung wichtiger Sozialkompetenzen wie beispielsweise das sogenannte perspective-taking, bei dem die Spielenden neue Rollen einnehmen und dadurch Empathie für andere soziale Gruppen erlernen.
Doch auch anti-demokratische und extremistische Gruppierungen haben die Anziehungskraft digitaler Spiele für sich entdeckt und versuchen diese für propagandistische Zwecke zu nutzen. Bereits in den 1980er Jahren entwickelten rechtsextreme Akteure erste Videospiele wie KZ Manager, um ihre Ideologie interaktiv erfahrbar und ‚spielbar‘ zu machen. Seitdem wurden dutzende propagandistische Spiele veröffentlicht. Auch islamistische Gruppierungen wie die libanesische Hisbollah oder der sogenannte Islamische Staat publizieren digitale Spiele und verbreiten Propagandainhalte, in denen sie explizit Bezug auf populäre kommerzielle Videospiele nehmen.
Sowohl demokratische als auch anti-demokratische Akteure scheinen also das Potenzial digitaler Spiele erkannt zu haben und versuchen, dieses Medium zur strategischen Verbreitung politischer Inhalte zu nutzen. Da prognostiziert ist, dass die Relevanz von Videospielen in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird, ist anzunehmen, dass sich dieser Trend noch verstärken und die Verzahnung von Politik und digitalen Spielen immer enger werden wird.
Gaming- und gaming-nahe Plattformen sind inzwischen zu wichtigen Schauplätzen politischer Debatten geworden. Der Begriff „Gaming- und gaming-nahe Plattformen“ beschreibt digitale Plattformen, die entweder (ursprünglich) für Gamer geschaffen wurden und/oder auf denen sich eine große Anzahl an Gaming-Inhalten finden lässt bzw. die von Gaming Communities genutzt werden. Dazu gehören beispielsweise die Spielevertriebsplattform Steam, die Spielentwicklungsplattform Roblox oder Foren, in denen von Nutzer*innen erstellte Spielinhalte geteilt und diskutiert werden, z. B. Mod DB, sowie die Livestreaming Plattform Twitch und die Chat-Plattform Discord. Viele dieser Plattformen erreichen ähnlich viele oder sogar mehr Menschen als klassische Social-Media-Plattformen. So sind auf Discord 560 Millionen Nutzerprofile registriert, auf Steam sind täglich über 60 Millionen Menschen aktiv und auf Twitch haben Nutzer*innen allein im Mai 2024 etwa 1,73 Millionen Stunden Videoinhalte konsumiert – das sind fast 200 Jahre Videomaterial.
Auch wenn die Forschung zu politischen Debatten auf diesen Gaming- und gaming-nahen Plattformen noch in den Kinderschuhen steckt, ist unstrittig, dass in diesen digitalen Räumen über eine Vielzahl aktueller Themen aus Politik und Gesellschaft gesprochen und diskutiert wird. So waren beispielsweise im Juni 2024 auf Disboard, einer durchsuchbaren Liste von Discord-Servern, fast 5800 Gruppen mit Stichwort #politics versehen und wurden somit von den Nutzer*innen selbst explizit als politische Diskursräume deklariert. Viele weitere Gruppen werden zum Austausch über aktuelle Themen genutzt. So sind z. B. fast 50.000 Gruppen mit den Schlagworten #chatting oder #chat getagged, fast 59.000 mit #hangout und über 74.000 mit #social versehen.
Auf Twitch finden sich u. a. die Kategorien „IRL“ (in real life) oder „Just Chatting“, in denen auch Streams mit politischen Inhalten zu finden sind. So konnten im Juni 2024 beispielsweise etliche Analysen zur kürzlich stattgefundenen Europawahl dort aufgerufen werden. Auch auf Steam werden politische Inhalte geteilt und diskutiert. Momentan gibt es weit über 400 Videospiele auf der Plattform, die mit dem Stichwort „Politik“ oder „Politiksimulation“ getagged sind. In den Foren auf Steam werden ebenfalls politische Themen diskutiert. Im „Off Topic“ Forum, in dem Inhalte diskutiert werden, die nicht direkt mit Gaming in Verbindung stehen, hat eine Suche mit dem Schlagwort „politic“ (um sowohl politics als auch political mit einbeziehen zu können) fast 70.000 Treffer ergeben. In den gefundenen Diskussionen ging es meist um aktuelle politische und gesellschaftliche Themen, u. a. um die Covid-19 Pandemie und ihre Folgen, den Gaza-Krieg, aktuelle politische Entscheidungen auf nationaler oder internationaler Ebene, Politiker wie beispielsweise US-Präsident Biden, die europäischen Sanktionen gegen Russland im Zuge des Ukraine-Krieges, das Konzept Europas als Friedensstifter oder die Rechte von LGBTQ-Personen.
Darüber hinaus sind auch extremistische, toxische und anti-demokratische Inhalte sind auf diesen Plattformen weit verbreitet. Insbesondere extremistische Aktivitäten auf Gaming (-nahen) Plattformen werden momentan am PRIF gemeinsam mit weiteren untersucht. Das RadiGaMe-Projekt analysiert u. a. welche extremistischen Inhalte in digitalen Gaming-Räumen geteilt werden und welche Kommunikationsmuster sich hierbei erkennen lassen. Eine erste Analyse von 20 Gaming- und gaming-nahen Plattformen ergab, dass in nahezu allen digitalen Gaming-Räumen rechtsextreme, rassistische, antisemitische, homo- und transphobe Inhalte sowie Verschwörungsnarrative verbreitet werden. Auch einige islamistische Inhalte konnten identifiziert werden. Ebenso zeigen erste Studien, dass Russland gezielt versucht Desinformation und Propaganda auf Gaming-Plattformen wie Roblox zu verbreiten und damit tausende, vor allem junge Nutzer*innen erreicht. Es ist inzwischen klar belegt, dass digitale Gaming-Räume zunehmend für die Verbreitung anti-demokratischer und extremistischer Inhalte missbraucht werden und auch politische Konflikte zunehmend im Gaming-Bereich Spuren hinterlassen.
Aufgrund der hohen Nutzerzahlen erreichen diese Inhalte auf Gaming- und gaming-nahen Plattformen Millionen von Menschen, können die Meinungsbildung zu aktuellen Debatten beeinflussen und somit auch auf politische Diskurse einwirken. Deshalb ist es notwendig digitale Gaming-Räume als wichtige Schauplätze politischer Debatten zu verstehen, die dort stattfindenden Diskussionen ebenso ernst zu nehmen wie Diskurse auf anderen digitalen Plattformen und Gaming-Räume nicht dem Einfluss anti-demokratischer Akteure zu überlassen, sondern sie als integralen Bestandteil moderner politischer Kommunikation zu begreifen.
Sowohl Videospiele als auch Gaming- und gaming-nahe Plattformen haben sich in den letzten Jahren zu einem ernstzunehmenden Bereich gesellschaftlicher und politischer Debatten entwickelt. Sie sind Schauplatz demokratischer sowie anti-demokratischer Kommunikationsbemühungen und ein zunehmend integraler Bestandteil digitaler Diskurse. Diese Relevanz wird sich in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach dank des starken Wachstums der Gaming-Industrie noch vergrößern. Dies bietet für demokratische Akteure in diesen Bereichen viele Chancen, eine starke Präsenz aufzubauen und beispielsweise mit Präventionsangeboten radikalen Strömungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dass diese Entwicklung von dringender Notwendigkeit ist, zeigt sich daran, dass gegenwärtig demokratische Angebote in diesen digitalen Räumen drohen in den Hintergrund zu geraten. Im Gegensatz dazu sind anti-demokratische Akteure, Hassrede, Verschwörungsnarrative, radikale und toxische Inhalte leicht zu finden und allgegenwärtig. Aus dem Grund ist es notwendig, Gaming-und gaming-nahe Plattformen als Austragungsort gesellschaftlicher Auseinandersetzungen zu begreifen und sie als wichtiges Spielfeld demokratischer Kommunikationsprozesse zu verstehen. Der Gaming-Kosmos beeinflusst Millionen von Menschen und darf daher nicht zu einem alleinigen Spielfeld anti-demokratischer Player werden.
Livestreaming ist in den Fokus der Radikalisierungsforschung gerückt. Der 2019 verübte rechtsterroristische Anschlag auf Moscheen im neuseeländischen Christchurch, das Attentat auf eine Synagoge in Halle im selben Jahr oder der im Januar 2021 initiierte Sturm auf das US-Kapitol, sie alle haben gemeinsam, dass die Taten gestreamed wurden und von einem Millionen Publikum live verfolgt werden konnten. Das Phänomen ist aber nicht auf diese aufsehenerregenden Fälle begrenzt. Wie dieser Blog zeigt, nehmen antidemokratische Einflussnahmen auf Livestreaming-Plattformen immer weiter zu. Am Beispiel dreier Plattformen wird gezeigt, wie demokratiefeindliche Inhalte und extremistische Botschaften verbreitet werden.
Erscheinungsdatum des Blogbeitrags auf dem PRIF-Blog: 22.08.2024
Livestreaming ist auf dem Vormarsch. Insgesamt gibt es ca. 7 Mio. Streamer*innen und ca. 140 Mio. aktive User*innen auf Twitch. Des Weiteren haben Analysen ergeben, dass allein im Mai 2024 1,73 Mio. Stunden Inhalte konsumiert wurden, was umgerechnet ca. 200 Jahre Videomaterial ergibt. In den USA ist Twitch, nach Netflix, Google und Apple, die am meisten frequentierte Webseite. Neben Streamer*innen die sich selbst beim Spielen filmen, werden auch Streams von Offline-Massenevents wie den Counterstrike Championships, mit 1.065.148 Zuschauenden, das Finale der League of Legends Worlds mit 639.375 Zuschauende und realweltliche Sportveranstaltungen, wie das Box-Event La Velda del Año 3 mit fast 3,5 Mio. Zuschauer*innen auf Twitch gestreamt.
Durch die Formate In Real Life (IRL) und Subkategorien wie Just Chatting existieren auf der Plattform Möglichkeiten des ungezwungenen und themenungebundenen Austauschs. Politische Stiftungen, Parteien und Streaming Formate nutzen dies und bieten Räume an, die eine reine Fokussierung auf gesellschaftspolitische Themen haben. Während Twitch über einen langen Zeitraum eine dominierende und unangefochtene Position im Bereich des Streamings von Videospielen einnahm, sind mit DLive (2017) und Kick (2022) zwei Konkurrenzplattformen entstanden, die sich durch eine weniger restriktive Politik gegenüber den Nutzer*innen auszeichnen. Die gesellschaftspolitischen Foren finden sich auch auf diesen Plattformen wieder. Dort bieten sie aufgrund des weitestgehend offenen Austauschformats und dem geringen Maß an inhaltlicher Moderation, ein hohes Potenzial für antidemokratische Einflussnahmen. Insbesondere Streamer*innen, die auf Twitch aufgrund von Verstößen gegen die Community-Richtlinien gesperrt wurden, nutzen diese Plattformen, um ihre Inhalte zu verbreiten. Ausweichplattformen bieten somit grundsätzlich eine toxischere Umgebung als die Originalplattform. Während es keine zuverlässigen Nutzerzahlen zu DLive gibt, ist Kick mit einem Zuschauerpeak von 981.395 gleichzeitig streamenden Personen sowie 141.700 aktiven Channel pro Monat noch weit hinter Twitch.
Im Folgenden präsentiert der Blog die vorläufigen Ergebnisse einer explorativen Studie demokratiefeindlicher Aktivitäten auf diesen drei Livestreaming-Plattformen, die im RadiGaMe Projekt durchgeführt wurde.
In der Vergangenheit kam es auf der Plattform wiederholt zu Versuchen extremistischer Einflussnahmen, bei denen Streamer*innen extrem rechte Narrative verbreiteten. Das wohl bekannteste livegestreamte extremistische Video auf der Plattform war der Anschlag auf eine Synagoge in Halle im Jahr 2019, das allerdings innerhalb von 20 Minuten durch die Plattformbetreiber gesperrt wurde und in der Folge dennoch massenhaft zirkulierte. Aufgrund der Größe und der hohen Sichtbarkeit der Plattform hat Twitch ein aktives Moderationsteam, welches die Community-Guidelines versucht umzusetzen und rechtsextreme Streamer*innen bereits sperrte.
Dennoch haben wir in unserer Beobachtung zahlreiche Inhalte vorgefunden, die Trans- und Homofeindlichkeit beinhalteten, Rassismus und Antisemitismus transportierten und rechtsextreme Ideologien unterstützten. Gesperrte rechtsextreme Streamer wie Martin Sellner wurden von anderen Streamer*innen eingeladen und konnten so trotz Sperrung weiter ihre Inhalte auf der Plattform verbreiten. In einem identifizierten Stream wurde Sellner knappe zwei Stunden zu seinem neu veröffentlichten Buch interviewt, in dem er ethnopluralistische Gesellschaften als Wunschgebilde entwirft. Des Weiteren haben rechtsextreme Influencer das neue Spiel der rechtsextremen Spielentwickler KVLTGAMES gestreamt und dabei aktiv für das Spiel geworben. Das Spiel reproduziert szenetypische Narrative, wie die des „Großen Austauschs” und kreiert Feindbilder, wie z. B. Menschen mit Migrationshintergrund, Asylsuchende, Homo- und Trans-Personen bis hin zu Politiker*innen, garniert ist dies mit optischen Bezügen zu realweltlichen Personen.
Alles in allem ist Twitch trotz aktiver Moderationsbemühungen eine Plattform, auf welcher rechte und rechtsextreme Influencer*innen eine Präsenz etablieren konnten und aufgrund aktiver Vernetzung auch geblockte Akteure ihre Botschaften verbreiten können.
Die Streaming-Plattform DLive, welche 2017 gegründet wurde und seitens medialer Berichterstattung bereits als „extremist heaven“ betitelt wurde, spielte eine signifikante Rolle während des Sturms auf das US-Kapitol im Jahre 2021. Bekannte rechtsextreme Streamer, wie zum Beispiel der America First-Host, Maga-Aktivist und Antisemit Nicholas Fuentes oder der Livestreamer Baked Alaska, welcher die Erstürmung livestreamte, riefen bereits im Vorfeld auf ihren DLive-Kanälen zu Gewalthandlungen auf. So bezeichnete Fuentes einen Großteil der republikanischen Parteimitglieder als zu weich und schlussfolgerte: „What are we going to do to them? What can you and I do to a state legislator besides kill them?” Und auch wenn DLive nach dem Vorfall ebenjene Streamer sperrte, so findet sich immer noch eine große Anzahl von rechten Streamer*innen auf der Plattform, die eine permanente Präsenz etablieren konnten und Geld mit ihren Streams verdienen.
In unserer Beobachtung konnten wir feststellen, dass viele der rechten Streamer*innen durch sogenannte „Lemons“, die plattformeigene Währung, zusätzliche Einnahmen generieren können und ihre Follower*innen zu Spenden aufriefen. Wir fanden außerdem Verlinkungen auf geschlossene Plattformen, wie zum Beispiel Telegram, die zur weiteren Vernetzung dienen und die zumeist noch explizitere Kommunikation beinhalten. Konkret wurden neben Kanälen, denen keine Initiatoren zugeordnet werden konnten und die Streams mit verschwörungstheoretischen Inhalten anbieten, rechte, antisemitische und homophobe Streamer*innen ausfindig gemacht. Dabei wurden Holocaustleugnungen, White-Genocide-Phantasmen und Umsturz-Überlegungen propagiert. Auch die deutschsprachige extreme Rechte hat hier eine etablierte Präsenz, in welcher sie Diskursverschiebungen durch vorpolitische Raumbesetzungen anstrebt (Metapolitik) sowie chiffrierte und camouflierte Kommunikationsstrategien nutzt (Dog-Whistling).
Führende Kader der identitären Bewegung, so zum Beispiel erneut Martin Sellner, haben auf der Plattform allwöchentliche Streams, in welchen sie gesellschaftspolitische Themen aufgreifen und für ihre Zuhörerschaft in rechtsextremer Manier aufbereiten. Rechte Codewörter wie 14 Words und 88 sind sowohl in Profilnamen als auch in den Kommentarspalten zu beobachten. Ebenfalls auffällig sind die Anspielungen auf nordische und germanische Mythologie, wie zum Beispiel dem häufig von der extremen Rechten instrumentalisierten Nibelungen-Lied. Vor allem in den Kommentarspalten haben wir auch strafrechtlich relevante Inhalte identifiziert. So wurden Aussagen beobachtet, in denen muslimische Menschen als Kakerlaken und Ungeziefer betitelt , Jüdinnen und Juden als satanische Brut verspottet sowie Hakenkreuze gepostet wurden. Des Weiteren wurden Mordaufrufe zu Politiker*innen geteilt.
Unsere Beobachtungen zeigen, dass DLive eine wichtige Plattform für extrem rechte Akteure ist. Und trotz der Tatsache, dass DLive plattformeigene Community-Guidelines hat, in welchen hasserfülltes Verhalten explizit verboten wird, haben wir in öffentlich zugänglichen Streams und Kommentarspalten eine große Anzahl an extremistischen und antidemokratischen Inhalten vorgefunden.
Kick ist eine 2022 gegründete Streaming- und Glücksspielplattform, die große Ähnlichkeiten zu Twitch aufweist, jedoch gezielt Glücksspielformate bewirbt und eine höhere Gewinnausschüttung an ihre Streamer*innen verspricht. Hinsichtlich der Durchsetzung von Community-Guidelines weist Kick ebenfalls einen laissez fairen Umgang auf.
Es wurden zahlreiche rechtsextreme, antisemitische und queerfeindliche Streamer*innen und Kommentare vorgefunden, wobei die meisten Inhalte in einem englischsprachigen Kontext stattfanden.
Auch hier sind Kommentarspalten und Streams zugleich interessant. Der 24/7 verfügbare Kanal Infowars verbreitet extrem rechte Inhalte und Verschwörungstheorien. Der Kanal wird von Alex Jones betrieben, der als einer der Schlüssel-Ideologen der Alt-Right Bewegung fungiert. Der bereits genannte Nick Fuentes ist mit seinem America First-Format ebenfalls omnipräsent auf dieser Plattform. In solchen Formaten werden verschwörungstheoretische Inhalte verhandelt und neue Zusammenhänge vermeintlich aufgedeckt, die auf eine angebliche Verschwörung hinweisen sollen. So beobachteten wir, wie ein Streamer Kausal-Zusammenhänge zwischen der Covid-19 Pandemie, Migration und dem aktuellen Gaza-Konflikt konstruierte. Dabei entdeckten wir in der Kommentarspalte zum Beispiel die folgende Aussage: “Why are we out here slaving away for Jews who are profiting off of us killing each other”. Mit dieser Aussage nahm der Verfasser direkten Bezug auf Aussagen des Streamers, welcher eine antisemitische Verschwörungstheorie postulierte.
Unter einem Stream zu Dating-Erfahrungen eines rechtsextremen Influencers fand sich eine Masse an menschenfeindlichen und demokratiegefährdenden Kommentaren wieder. So postete ein User, dessen Profil nationalsozialistische Bezüge aufwies, Vergewaltigungs- sowie Tötungsfantasien gegenüber jüdischen Frauen. Dabei zeigt sich deutlich, dass antisemitische und rechtsextreme Rhetoriken in bestimmten Streams auf der Plattform ohne Gegenrede geäußert und seitens der Plattform toleriert werden. Ähnlich wie DLive kann Kick als wichtiger Hub für extrem rechte Propaganda gewertet werden, wobei die Multifunktionalität der Plattform als Livestreaming-Plattform für Glücksspiel und Gaming zugleich, einen Unterschied macht.
Streaming-Plattformen sind ein essenzieller Bestandteil digitaler Kulturen und beherbergen sowohl Gaming-Inhalte als auch Streams zu vielen weiteren Themen. Auf allen untersuchten Plattformen wurden bei den themenunspezifischen Streaming-Formaten Just Chatting und In Real Lifeantidemokratische und extremistische Streamer*innen und Kanäle ausfindig gemacht. Die Masse sowie Intensität der Inhalte variiert jedoch stark von Plattform zu Plattform und ist maßgeblich von der inhaltlichen Moderation abhängig. Dabei sind Streamer*innen und Zuschauende in einem Wechselspiel: Sie gehen aufeinander ein und bedingen aufkommende toxische Dynamiken gegenseitig. Durch unsere explorative Beobachtung wurde deutlich, dass antidemokratische und menschenfeindliche Inhalte auf Streaming-Plattformen frei zugänglich vorzufinden sind. Und auch wenn die Toxizität auf den Ausweichplattformen exponentiell steigt, so ist auch auf Twitch ein relativ leichter Zugang zu Streams und Kommentarspalten mit rassistischen und antisemitischen Inhalten zu beobachten. Dieses Problem gilt es in Zukunft seitens staatlicher Regularien, plattformspezifischer Durchsetzungen der Community-Guidelines und zivilgesellschaftlicher Präventionsmaßnahmen zu adressieren. Dafür müssen Plattformbetreiber, Zivilgesellschaft und Strafverfolgungsbehörden Hand in Hand arbeiten, um die Attraktivität der Streaming-Plattformen für extremistische Akteure zu minimieren und eine ohnehin in Teilen der Streaming-Szene bereits gelebte Vielfalt und Toleranz zu etablieren.
Die Debatte zur Nutzung von Gaming-Plattformen durch radikalisierte Akteur*innen hat sich infolge der Live-Übertragungen der Anschläge von Christchurch und Halle im Jahr 2019 intensiviert. Trotz des gestiegenen Interesses und obwohl deutliche Hinweise auf Radikalisierungsaktivitäten in diesen digitalen Räumen vorliegen, mangelt es bislang an fundierten Forschungsergebnissen. Das Verbundprojekt RadiGaMe strebt an, diese Lücke zu schließen. In einer ersten Phase wurden am PRIF 20 Gaming- und gaming-nahe Plattformen untersucht, um Einblicke in deren Funktionsweise sowie Relevanz für radikalisierte Akteur*innen zu erlangen. Der vorliegende Beitrag fokussiert exemplarisch auf die Plattformen Discord und Steam.
Erscheinungsdatum des Blogbeitrags auf dem PRIF-Blog: 28.08.2024
Mit der Verbreitung digitaler Spiele geht auch ein Anstieg der Vernetzungsmöglichkeiten der Spielenden einher. Auch wenn es prinzipiell möglich ist, digitale Spiele vollkommen allein zu spielen, stellt Gaming für einen großen Teil der User*innen eine explizit soziale Freizeitbeschäftigung dar. Die Vernetzung untereinander findet dabei meist online über Plattformen statt, die speziell für Gamer*innen entworfen oder vorrangig von diesen genutzt werden. Die so entstehenden Communities können besondere Qualitäten aufweisen, die sie von regional gebundenen oder denen auf anderen sozialen Online-Plattformen unterscheiden, da digitale Spielekultur – nicht zuletzt aufgrund des Erlebnisweltcharakters – mit besonderen Verhaltensmustern sowie Interaktions- und Kommunikationsmustern einhergehen kann. Diese warten mit einem eigenen Slang und Humor sowie diversen Anspielungen auf digitale Spiele und die dazugehörige Kultur auf. Neben überregionalen Beziehungen kann dabei eine häufig rauer und auf Ironie setzender Ton beobachtet werden.
Darüber hinaus konnten in der Vergangenheit immer wieder radikalisierte Aktivitäten auf gaming-nahen Plattformen beobachtet werden. Insbesondere rechte, aber auch islamistische Akteur*innen nutzen Plattformen digitaler Spiele zur Vernetzung und Koordination von Aktivitäten, zur Verbreitung von Propagandamaterial und zur Ansprache radikalisierungsgefährdeter User*innen. Die häufig nur geringe Moderation der Plattformen begünstigt die Ausbreitung derartiger Inhalte zusätzlich. So können bestehende Verbindungen gefestigt und User*innen erreicht werden, die für diese Inhalte empfänglich sind.
Dabei verbleiben diese Inhalte nicht in Onlinesphären, sondern ziehen realweltliche Auswirkungen nach sich. Mehr noch: Diese Trennung von digitalem und realem Raum lässt sich in einer derart umfassend digitalisierten Gesellschaft nicht mehr angemessen aufrechterhalten, wie das antisemitische Attentat an Jom Kippur 2019 zeigt, bei dem der Attentäter einen Massenmord in der Synagoge von Halle verüben wollte. Neben der Gamifizierung seiner Tat durch die Erstellung von Achievement-Listen für sich selbst und potenzielle Nachahmungstäter, dem Streaming seiner Tat im Stil eines Ego-Shooters auf einer Streaming-Plattform, die sich vorrangig an Gamer*innen richtet und der Verwendung eines Slangs der Gaming-Szene fällt auf, dass seine Radikalisierung unter anderem auf Gaming-Plattformen stattfand. Entgegen häufig bemühter öffentlicher Erklärungen verdeutlicht dies, dass es sich bei derartigen Tätern nicht um Einzeltäter, sondern um zumindest online sozial integrierte Personen handelt, die sich auf gaming-nahen Plattformen vernetzen.
Radikalisierte Communities verfügen zum Teil über dezidierte Plattformen, wie die vom US-Neonazi und Shoah-Leugner Andrew Anglin betriebenen Gamer Uprising Forums, die sich explizit an rechte Gamer wenden. Dennoch ist zu beobachten, dass die meisten radikalisierten Akteur*innen Plattformen nutzen, die in Gaming-Communities weit verbreitet sind und sich an die Mehrheit der Spielenden richten.
Kommunikation ist ein zentraler Bestandteil der Online-Gaming-Kultur. Es existiert eine Vielzahl von Plattformen, die es Gamer*innen ermöglicht, auf verschiedene Arten miteinander zu kommunizieren. Darunter finden sich unter anderem klassische Foren, soziale Nachrichtenaggregatoren, so genannte „Looking for Group“-Plattformen, die es ermöglichen nach gleichgesinnten Spieler*innen zu suchen oder Chat-Plattformen, mit denen eigene Server betrieben werden können, auf denen sowohl schriftlich als auch mündlich kommuniziert werden kann.
Ein besonders beliebtes und weit verbreitetes Beispiel für letztere ist Discord. Die 2015 gegründete Plattform verfügt über rund 190 Millionen aktive monatliche Nutzer*innen auf etwa 19 Millionen Servern (Stand 2024). Discords Verbreitung ist vor allem auf dessen Funktionsumfang, Verbindungsqualität und Zugänglichkeit zurückzuführen und hat in den letzten Jahren zu einer teilweisen Verdrängung anderer gaming-naher Kommunikationsplattformen geführt. Die Plattform ermöglicht den Betrieb sowohl privater als auch öffentlicher Server, die von den Betreiber*innen oder mit Privilegien ausgestatteten Nutzer*innen selbst moderiert werden. Auf diesen Servern können Gruppenchats in unterschiedlichen Kanälen organisiert werden. Darüber hinaus ermöglicht Discord den User*innen private Chats untereinander, das Teilen von Text-, Audio- und Bildinhalten, Streamingfunktionen sowie die Möglichkeit Sprach- und Videoanrufe zu tätigen.
Discord ist in der Vergangenheit wiederholt als Plattform in die Öffentlichkeit geraten, die von rechtsextremen, verschwörungsmythischen, antifeministischen und islamistischen Akteur*innen genutzt wird. Auf Servern der Plattform wurden politische Aktionen wie die rechtsextreme Unite the Right rally2017 in Charlottesville vorbereitet oder Onlinebelästigungskampagnen organisiert. Unter diesen Communities befanden sich immer wieder auch solche aus dem deutschen Raum, wie das rechtsextreme Netzwerk Reconquista Germanica, das nicht nur zum Ziel hatte, rechte Online-Attacken auf politische Gegner*innen zu koordinieren, sondern auch gezielt die Alternative für Deutschland (AfD) zu stärken.
Um einem Discord-Server beizutreten, ist ein gültiger Einladungslink notwendig. Diese Links werden meist durch persönliche Weitergabe oder über bestehende Discord-Communities verteilt. Server, die abseits dessen auffindbar und betretbar sein sollen, werden in Serverlisten eingetragen und können mit Hilfe von Schlagworten durchsucht werden. Um relevante Discord-Server zu identifizieren, hat das RadiGaMe-Projekt Schlagwortsuchen in Serverlisten durchgeführt. Wie aufgrund vorheriger Studien zu erwarten war, ergab die Erkundung der Plattform eine große Anzahl auffälliger Server. Hierzu zählen Server, die sich explizit rechtsextremen oder islamistischen Inhalten widmen, wobei in einigen Fällen bereits die Serverbeschreibungen, -namen und -bilder explizit gegen bestimmte soziale Gruppen gerichtet sind. So finden sich dort antisemitische, homophobe oder rassistische Karikaturen sowie Verweise auf nationalsozialistische und islamistische Gruppierungen wie Waffen-SS, Wehrmacht oder Muslimbruderschaft. Auch mehrere Server deren eigentlicher Schwerpunkt auf digitalen Spielen liegt enthalten antisemitische, rassistische und sexistische Inhalte. Darüber hinaus konnten wiederholt Verschwörungserzählungen beobachtet werden, etwa über vermeintlich durch jüdische Akteur*innen koordinierte Schädigungen von Staaten und Individuen, sowie homophobe und misogyne Beiträge, die auch Aufrufe zur Gewalt enthielten. Zudem existieren Server, auf denen es untersagt ist, geschlechtsübergreifend zu kommunizieren. Zuletzt finden sich auch Hinweise darauf, dass die Server auch zur direkten politischen Vernetzung genutzt werden. So kommt es neben dem Austausch ideologischen Materials auch zur Planung und Bewerbung von Veranstaltungen oder zur Vereinbarung von Offline-Treffen.
Die Erforschung der Plattform ist jedoch mit ethischen sowie datenschutzrechtlichen Hürden und letztlich auch mit Risiken für die Forschenden selbst verbunden. So ist es auf vielen einschlägigen Servern erforderlich, zunächst in einer Art Lobbybereich persönliche und ideologische Fragen zu beantworten, um das notwendige Vertrauen zu gewinnen, das den Zugriff auf weitere Kanäle der Server erlaubt. Unabhängig von den damit verbundenen Abwägungen zeigt sich eine ausgesprochen große Relevanz gaming-naher Kommunikationsplattformen für Phänomene im Zusammenhang mit Radikalisierungsprozessen. Discord muss daher, in Übereinstimmung mit der vorhandenen Literatur, für die Radikalisierungsforschung als äußerst relevant erachtet werden.
Neben expliziten Kommunikationsplattformen, existieren auch solche, die in erster Linie für den Vertrieb von digitalen Spielen oder Erweiterungen entworfen wurden. Auch diese verfügen meist über Community-Funktionen und werden von den User*innen neben der Verwaltung ihrer Spiele-Bibliothek auch zur Kontaktpflege im Sinne sozialer Netzwerke genutzt. Ihr zentraler Zweck – die Verwaltung digitaler Spieleinhalte – sorgt dafür, dass nahezu alle PC-Spieler*innen von ihnen Gebrauch machen.
Die wohl bedeutendste dieser Plattformen ist Steam. Die Vertriebsplattform verfügt über gleichzeitige Nutzungszahlen von bis zu ca. 36 Millionen User*innen und stellt damit die mit Abstand größte Vertriebsplattform für digitale Spiele im PC-Bereich dar. Sie dient vor allem dem Verkauf und der Verteilung von digitalen Spielen und Zusatzinhalten und wird von vielen Entwickler*innen als exklusive Vertriebsplattform genutzt. Neben einigen weiterführenden Funktionen für digitale Spiele, Entwickler*innen und Gamer*innen fungiert Steam vor allem auch als soziales Netzwerk. Dies wird insbesondere durch gestaltbare Profile mit Freundeslisten, Foren, Gruppenfunktionen und einem eigenen Messenger sowie Streaming-Funktionen erreicht.
Steam umgab in den letzten Jahren immer wieder eine negative Presseberichterstattung. So sind Steam-Gruppen mutmaßlich an der Radikalisierung terroristischer Attentäter, wie der Täter des rassistischen und antiziganistischen Anschlags in München 2016 oder des o. g. antisemitischen Anschlags in Halle 2019 beteiligt gewesen. Es ist bekannt, dass einige Gruppen auf der Plattform ausschließlich der Verbreitung antisemitischer, misogyner, rechter oder islamistischer Inhalte dienen. Darüber hinaus existiert eine Vielzahl von Diskussionsgruppen, durch die bisher weniger stark radikalisierte User*innen an radikale Inhalte herangeführt werden. Sie dienen somit sowohl als Vernetzungs- als auch als Agitationsumgebungen. Neben diesen Kommunikationsinhalten sind auch Spielinhalte wiederholt durch radikalisierte, beispielsweise antisemitische Inhalte aufgefallen.
Im Rahmen einer Exploration von Steam konnten vermehrt Nutzer*innen-Profile ausfindig gemacht werden, die durch verschiedenste radikalisierte Inhalte ausgeschmückt wurden. Bezüge zum Nationalsozialismus werden bereits durch Verwendung von Namen und Avataren deutlich. Dies geschieht beispielsweise durch die Verwendung rechter Codes oder Fotos von Angehörigen der Wehrmacht oder Waffen-SS. Auch finden sich dort antisemitische Karikaturen oder die Verhöhnung von im Zuge der Shoah ermordeten Jüdinnen*Juden, die Verherrlichung von Terrororganisationen und Attentäter*innen, islamistische Anspielungen, Bezüge zu Incel-Bewegungen oder anti-linke Symbole. Die Hintergründe der Nutzer*innen-Profilseiten werden zum Teil mit Wehrmachtsästhetik geschmückt. Auch in den Kommentarspalten wird einschlägig kommuniziert, genau wie in den Foren der Plattform, in denen es immer wieder zu antisemitischen, rassistischen, verschwörungsmythischen, islamistischen oder misogynen Äußerungen kommt. So begegnet man in den Diskussionsbereichen antisemitischen Beleidigungen von Personen des öffentlichen Lebens sowie anderer User*innen, Shoah-Relativierungen und -Leugnungen, rassistischen Anspielungen, Verschwörungserzählungen, beispielsweise bezüglich der Covid-19-Pandemie, völkischen Ideologien, wiederholten Bagatellisierungen von Gewalt mit Verweis auf die freie Meinungsäußerung und den gängigen Umgangston in Communities digitaler Spiele sowie Aufstachelungen zur Gewalt bis hin zu Mord. Obwohl Steam die Möglichkeit bietet, geschlossene Gruppen zu erstellen, sind viele radikalisierte Inhalte offen zugänglich, sodass die Gruppen ihren Mitgliedern auch als Aushängeschild ideologischer Standpunkte dienen.
Diese ersten Explorationsergebnisse bestätigen die vermutete Relevanz der untersuchten Plattformen für Interaktionen mit Radikalisierungsbezügen. Die bisher durchgeführten Untersuchungen belegen, dass gaming-nahe Kommunikationsplattformen ebenso wie Spieleplattformen von radikalisierten Akteur*innen genutzt werden und radikalisierte Inhalte enthalten. Trotz des zunehmenden Interesses an der Nutzung digitaler Spielräume durch entsprechende Akteur*innen fehlt es jedoch noch immer an systematischen Erhebungen und Analysen, um die Rolle dieser Plattformen im digitalen Ökosystem der Radikalisierung angemessen beurteilen zu können.
Im weiteren Verlauf des RadiGaMe-Projektes werden ausgewählte Plattformen eingehend analysiert, um das Verständnis von radikalisierten Inhalten und Radikalisierungsprozessen in Räumen digitaler Spiele zu erhöhen. Dabei werden auch Plattformen untersucht, die von der Radikalisierungsforschung bisher weitgehend unbeachtet geblieben sind, ersten Explorationen nach jedoch äußerst relevante Räume für Radikalisierungsprozesse und somit letztlich auch für Präventionsbemühungen darstellen können. Dies trifft insbesondere auf Plattformen zu, die dem Vertrieb von digitalen Spielen sowie Spiel-Modifikationen dienen und die von einer Vielzahl von Spielenden auch zur Vernetzung genutzt werden. Erste Erkenntnisse zeigen, dass in diesen Räumen offen zugänglich umfangreiches radikalisiertes Material geteilt und somit niedrigschwellig in Umlauf gebracht wird.